jürg egli, zeitmaler

jürg egli ist ein tüftler. und ein leidenschaftlicher bildermensch. sonst hätte der gelernte fotograf nicht in einer strassenschlucht in paris, im süden ägyptens oder auf einer griechischen insel während 24 stunden alle 60 sekunden fotos gemacht. doch so einfach ist das nicht. mit bildersucht lassen sich jürg eglis fotografische arbeiten nicht erklären. veränderung ist, was ihn interessiert. unter dem titel „gegen die zeit“ fasst er seine arbeiten der letzten monate und jahre zusammen. dabei folgt er aufmerksam dem lauf der zeit. während tagen richtet sich sein geduldiger blick auf wandlungsprozesse. von der insel skopelos in der ägäis kommt er mit einer fotogeschichte in 1440 bildern zurück, mit so vielen bildern wie der tag minuten zählt. im ägyptischen quesir richtet er an einem 25. dezember den blick der kamera nach norden auf der suche nach dem stern von bethlehem. von der morgendämmerung bis zur nächsten steht seine kamera auf einem stativ, im minutentakt, gesteuert von einem timer, nimmt er bilder auf. es wird tag, es wird mittag, es wird abend, es wird nacht und wieder morgen. das ur-mass der zeit, die 24 stunden eines tages, ist die ur-einheit seiner grossen landschaftsarbeiten.

bewegung zeichnet seine bilderfolgen aus. und stille. denn erst beim geduldigen betrachten der fotoserien kommt bewegung ins bild. das wird noch deutlicher, wenn man jürg eglis stilleben anschaut, die blumenarrangements, die an holländische gemälde erinnern. drei wochen lang richtet sich das objektiv seiner kamera darauf, alle 5 sekunden wird das blumenarrangement fotografiert, drei wochen lang öffnet sich das auge der kamera und erzeugt 280 000 bilder eines vanitasmotivs, die später in der projektion während drei stunden dem betrachter das vergehen der blumen vorführt. der lang anhaltende, der ausgedehnte blick erlaubt es, die veränderung der farben zu erleben. zeit nehmen muss man sich, um winzige details, um die veränderungen in einem langsamen rhythmus zu entziffern.

beim blick aus dem dachfenster einer wohnung in der pariser rue dejean sieht man die gemüseverkäufer frühmorgens beim aufstellen ihrer marktstände, entdeckt die afrikanerin, die ihr kind stillt und gleichzeitig am simsen ist, spürt den fotografen auf, wie er zweimal unten auf der strasse flaniert während sein kameraauge doch von hoch oben auf die enge strasse gerichtet ist. stimmungen fängt dieser ausdauerfotograf ein, ein gefühlsmensch ist er, den licht und schatten im tages- und lebenslauf gleichermassen bewegen.

jürg egli, der hochbauzeichner von einst, der im renommierten architekturatelier 5 in bern gearbeitet, der anschliessend eine ausbildung als fotograf absolviert und später architekturbilder aufgenommen hat, liebt präzision und ist ein liebhaber aller neuerungen und tüfteleien im bereich der fotografie. kaum dass er im netz die schwedische entwicklung mit namen „narrative clip“ entdeckt, ist sie bereits auf seinem ateliertisch zu sehen. er sucht dann möglichkeiten, um mit der miniaturkamera, die kaum daumennagelgross ist, den lauf des tages, den lauf der zeit festzuhalten. dabei kombiniert er techniken, sucht ergänzungen technischer art, um das gerät seinen bildgewohnheiten anzupassen. der lebensfluss ist es, der seine neugierde anstachelt. wie sehen ein tag und eine nacht aus? seine eigenen 24 stunden, die 24 stunden von sonnenaufgang zum nächsten, die lebensdauer von blumen. jürg eglis interesse gilt einem besonderen erzählmodus und dem lauf der zeit, er erstellt sehprotokolle. während 24 stunden hat er in zürich von 24 standorten aus und in 1440 bildeinheiten das höchste gebäude der stadt fotografisch beobachtet. bei solchen vorhaben fängt er mehr ein als vorbeifahrende fahrzeuge in zürich oder schiffe auf der ägäis . bewegung in verlangsamten schritten, das aufziehen der wolken, der flug eines vogels, das fallen der blätter macht er so in einer langsamen sequenz sichtbar, wie es der rasche blick in unserem alltag nicht zulässt. wie sehr ihn der zeitenlauf, die zeitstruktur interessieren, zeigt auch ein blick in seinem atelier. auf dem bildschirm seines laptops bauen männer irgendwo in berlin mit holzbrettern an einer installation, die minute für minute die uhrzeit anzeigt. in einem digitalen bilderrahmen ist der primetower zürichs zu sehen, minute für minuten wird hier die zeit gemeldet. jürg egli ist ein maler. ein maler der zeit. seine leinwände sind unterschiedlich grosse bildschirme.